Rocktimes

Review – Surrounding The Void

by Andrea Groh

Wenn das Bandlogo als Ambigramm (um 180 Grad gedreht als gleicher Schriftzug lesbar) gestaltet ist, wird gleich meine Neugier geweckt.
Wenn die CD dann noch von Czar Of Bullets (Czar Of Crickets) kommt, muss das doch was sein, was mir gefällt, denn bereits mehrere Bands aus deren kleinen aber feinen Labelprogramm konnten mich begeistern. So waren meine ersten Gedanken als ich “Surrounding The Void” von Palmer in den Händen hielt.
Kurz noch die Fakten zu Palmer: gegründet 2000 in der Schweiz (das Herkunftsland war mir schon beim Lesen der Musikernamen klar…), erste EP 2004, Debüt “This One Goes To Eleven” 2008. 2011 dann die zweite Scheibe “Momentum” und 2017 die dritte “Surrounding The Void”. Hm, so richtig eilig mit veröffentlichen haben es die vier anscheinend nicht. Auch für die neun Songs der neuen Scheibe lassen sich Palmer Zeit, nämlich 60 Minuten.

Der Opener “Home Is Where I Lead You” führt uns dahin wo sich die Schweizer zuhause fühlen… nämlich in Post Metal-Gefilden. Kantig, mit aggressiven Riffs und einer Stimme, die Richtung brüllen tendiert. Das wirkt dann schon etwas neurotisch – im Sinne von Neurosis, den Genre-Vorreitern aus den USA. “Misery” ist dann dem Titel entsprechend finsterer, kranker, mit einem gewissen Sog in Richtung Sludge-Sumpf, überrascht dennoch im Mittelteil mit einem ruhigen Part, während gegen Ende Prog-Einflüsse eingearbeitet wurden.

Schon hier wird klar, dass Palmer sich nicht einfach nur auf eine Sparte beschränken, sondern verschiedene Stile zu einem Post-Sludge-Sonstwas-Monster vereinen, das unberechenbar bleibt. Immer wieder gibt es ruhige, beinahe schon zarte Parts, bevor der nächste Wutanfall herausbricht.
Wechselspiele sind typisch für “Surrounding The Void”  und dies bleibt auch im weiteren Verlauf so. “Divergent” fängt fast schon geradlinig an, begeistert gegen Ende mit mächtig finsteren Slowmo-Sounds, bevor es mit “Artein” ein ruhiges und harmonisches Instrumental gibt, das dennoch unterschwellig etwas Unheimliches und Beunruhigendes hat.

Das Bandlogo ist ein Ambigramm, die Musik lebt von Ambivalenz… passt irgendwie.

Ein Wechselbad der Emotion, Spiel mit Stilvariationen, von angejazzt wirkend bis sphärisch-verträumt.
Immer wenn man glaubt, Palmer nun ganz durchschaut zu haben und berechnen zu können, kommt etwas Neues, auch wenn es nur eine kleine Nuance einbringt, ein weiteres Puzzleteil ins Gesamtbild fügt und dieses dadurch leicht verändert.
Eingängig ist “Surrounding The Void”   natürlich nicht, manche mögen das Ganze sogar als ein wenig nervig ansehen, doch dies ist mit Sicherheit genau so gewollt.
Nachteil der Sache: Der Spannungsbogen lässt mit der Dauer ein wenig nach, vielleicht wären ein paar Minuten weniger besser und packender gewesen.

Vermutlich jedoch wollten Palmer es den Hörern nicht zu einfach machen, wer leichte Kost sucht, ist hier definitiv falsch. Man sollte sich schon darauf einlassen können und wollen.
Selbst dann mag manchen vielleicht ein Track wie “Importunity” etwas zu anstrengend erscheinen, doch… wer aufmerksam gelesen hat, ahnt es… das danach folgende “Rising”  ist als Kontrast dazu einfacher strukturiert, bietet ein wenig Erholung… na ja, ein wenig zumindest. Diese gibt es auch zunächst beim finalen Song “Implosion”, wieder ein im ersten Moment harmonisches Instrumental. Doch schon bald mischen sich in die sanften soundtrackartigen Klänge verstörende Elemente. So endet  “Surrounding The Void” dann, einen dystopischen Nachhall hinterlassend.

Fazit: Eine Scheibe für Hörer, die statt einem Spaziergang durch einen Rosengarten das Wandeln in einen Neurosengarten reizvoll finden, diese können sich hier an durchaus vorhandenen lichten Stellen erfreuen und ebenfalls die weniger lichten mit Begeisterung erkunden.

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